Unsere dritte Klasse 2020/21 färbte im August unter Leitung von Frau Nägeli im Schulgarten Wolle. Die Wolle wurde in vielfältigen und umfangreichen Schritten mit Hilfe von Achtklässlern und weiteren Kollegen und Eltern gefärbt. Mit verschiedenen Pflanzenteilen wie Blüten, Blättern und Wurzeln sowie Cochenille entstand ein wunderbar warmer Farbreigen welcher durch die Tätigkeit wie auch die Farben, alle Sinne anregt. Es ist ein sinnliches Erlebnis, das einen Bezug zur Natur herstellt. Die Schülerinnen und Schüler werden mit dieser Wolle im Laufe des Schuljahres im Handarbeitsunterricht mit Frau Nägeli Mützen für sich selbst stricken, – dies als Ergänzung zur Handwerksepoche: vom Schaf … zur Wolle … zur Bekleidung.

Pädagogische Grundlagen:

Im neunten Lebensjahr macht das Kind in seiner Entwicklung einen neuen Schritt durch. Aus einem vorher noch eher träumenden Bewusstsein erwacht es für die Menschen und Prozesse seiner Umwelt. Fragen nach Gut und Böse tauchen auf, nach Tod oder nach der Gerechtigkeit und/oder Ehrlichkeit der Lehrer und Eltern. Häufig zeigt sich so in diesem Alter eine erste tiefe Krise mit Vertrauensverlust und grossen Unsicherheiten im Leben des Kindes.

Unsere Lerninhalte versuchen, dem Kind auf einer sachlichen Ebene neues Vertrauen in die Welt zu geben. Das Verstehen grundlegender technischer Prozesse auf einfacher und eigentätiger Basis soll wieder Sicherheit in Bezug auf die Welt geben.

 

So beinhaltet der Lehrplan der dritten Klasse unter anderem die Arbeit beim Bauern, bei der vom gemeinsamen Pflügen des Feldes, über Aussaat, Beobachtung des Reifens und der gemeinsamen Ernte des Getreides alles mitverfolgt und mitgetan wird. Krönender Abschluss ist das Dreschen und Mahlen des Getreides und das Backen von Brot aus dem so gewonnenen Mehl. Diese Erfahrungen, zusammen mit dem Erleben der Tiere auf dem Bauernhof ermöglichen dem Kind ein elementares Verständnis dafür, woher unsere Nahrung kommt und wie sie entsteht.

 

Ein ähnliches Ziel gibt es in Bezug auf die Herstellung unserer Kleidung. Schon im Kindergarten ist die Hands-On-Erfahrung, mit den Fingern einen Faden aus Rohwolle zu zwirbeln, ein Beginn für das Verständnis der Prozesse, die unserer Kleidung zugrunde liegen. Im Handarbeitsunterricht der ersten Klasse lernt das Kind stricken, später häkeln und macht erste Näherfahrungen. In der dritten Klasse dann ist die Erfahrung des Wolle-Färbens ein weiterer vertiefender Schritt im Verständnis der ursprünglich einfachen technischen Prozesse, die unserer Welt zugrunde liegen. Das Selbstbewusstsein wächst durch das eigene Tun und parallel mit dem Verstehen und hilft dem Kind Schritt für Schritt durch die Neunjahreskrise (Rubikon).

In dieser Epoche des Handarbeitsunterrichtes wird noch ein weiterer Aspekt der kindlichen Entwicklung unterstützt und gestärkt. Die selbstgestrickte Mütze, die von den Kindern mit Stolz getragen wird, gibt ihnen in dieser unsicheren Lebensphase eine Art zusätzlichen Halt, – metaphorisch gesagt: sie vermittelt ein Gefühl von «sich ein Dach über dem Kopf zu machen».

So lässt sich abschliessend sagen, dass dieses Drittklassprojekt wie alle Projekte unserer Pädagogik Ausdruck ist der Bestrebung, beim Kind nicht nur die Entwicklung von Kompetenzen und Fähigkeiten anzuregen, sondern ganz zentral auch die allgemeine seelisch-geistige Entwicklung altersgemäss zu unterstützen und zu stärken.